28.03.2023

Im Gespräch mit Beate Widmann

Gallneukirchen

Was fasziniert Sie an Spiritual Care? In meinem gesamten Berufsleben, egal in welcher Funktion, waren mir die Begegnungen mit Menschen sehr bedeutsam. Existentielle Lebenserfahrungen und die Unterstützung von Patient:innen und Kolleg:innen in diesen Situationen waren mir immer ein Anliegen. Als Pflegepädagogin sehe ich neben der kompetenten Wissensvermittlung den Auftrag, Auszubildende durch die Ausbildung zu begleiten, ihnen Lerncoach zu sein und Handwerkszeug mitzugeben, um den späteren Berufsalltag mit Handlungskompetenz und emotionaler Kompetenz ausüben zu können. 

 

Diese „Trilogie“ lässt es nicht zu, sich hinter Fachwissen zu verstecken. Hier braucht es einen offensiven Umgang im Miteinander und die Bereitschaft, sich der Sorgen des Gegenübers wirklich anzunehmen: der Patient:innen und der Kolleg:innen.

 

Das entspricht doch ganz besonders dem Auftrag des Diakoniewerks!

Ja, in der Tat. Aber erstmal entspricht dies auch dem, was Menschen leben und bewirken wollen, die einen Sozial- oder Gesundheitsberuf ergreifen: sich wirklich um den anderen kümmern zu können, über das Funktionale hinaus. Und es entspricht auch dem, was die Menschen erleben wollen, die zu uns kommen und sich von uns begleiten lassen. SC bietet hier Wissen und Haltung, die mich begeistert, die nichts Dogmatisches beinhaltet, sondern offen ist für eine große Vielfalt. Was braucht ein Mensch, um fröhlich zu sein? Was tröstet ihn? Was macht sie mutig und zuversichtlich? Diese Vielfalt kann Glaube und Religiosität beinhalten, muss es aber nicht. IN SC geht es um das, was einen Menschen trägt und was ihn in existeniellen Situationen unterstützen kann. Hier dabei sein zu dürfen und seine und ihre Spiritualität spüren zu können, das ist für mich ein Geschenk und ein Vertrauensbeweis. Und das fängt unter uns als Kolleg:innen an: nur was wir bei uns selbst spüren und wofür wir bei uns selbst sorgen, können wir auch bei unseren Patient:innen und Klient:innen begleiten.

 

Im Übrigen: ich bin wirklich dankbar für einen Träger, der aus seiner christlichen Begründung heraus nicht nur das Funktionale sieht, sondern Menschen als Ganzes - mit ihrer gottgegebenen Würde und mit ihrem Lebenssinn und ihrem Glück. Der christliche Glaube hat dann nichts Überstülpendes, sondern ist ein Angebot und ein Anker in der heutigen Zeit, für wirklich menschliche Sorge und Begegnung - auch für Kolleg:innen, die aus anderen Quellen leben.

 

Wie geht es weiter mit SC im Diakoniewerk?

Dank dem großartigen Engagement von Doris Wierzbicki hat sich Spiritual Care in vielen Bereichen im Diakoniewerk bereits etabliert. Nun geht es darum weiterzumachen. SC ist für mich kein fertiges Konstrukt, nichts, was 1:1 übertragbar ist, sondern in SC können wir unterwegs sein, uns einbringen, gestalten und wachsen – und darauf freue ich mich. Um gut anknüpfen zu können, bin ich derzeit im Kontakt mit jenen Einrichtungen, die schon in Spiritual Care unterwegs sind, wie zB den Häusern für Senioren in Gallneukirchen, Wels, Linz, Mauerkirchen und Graz und dem Wohnen Martinstift, der Klinik Diakonissen Linz und Schladming. Gemeinsam wollen wir schauen, was gebraucht wird und wie wir gemeinsam weitergehen können.

 

Was möchten Sie uns noch mitgeben?

"Spiritual Care muss strahlen", so meinte eine geschätzte Kollegin kürzlich. Das möchte ich unterstreichen! Dennoch ist SC kein Allheilmittel und nichts, was uns auf die „Insel der Seligen beamen kann“, sondern es ist ein Ansatz, den wir mit all unseren Grenzen nur versuchen können zu verinnerlichen und leb- und spürbar zu machen.

 

Spiritual Care ist eine Haltung und ein Weg, den auch die Einrichtung insgesamt, gerade auch die Führung, unterstützen und mitgehen muss.