10.12.2022

Spiritual Care-Bedürfnisse aus der Praxis

Gallneukirchen

Gerda Diesenreither ist seit Mitte Mai 2021 Regionalleitung und Hausleitung im Haus Elisabeth in Gallneukirchen (OÖ). Spiritual Care wurde im Haus Elisabeth 2019 eingeführt, als laufender Prozess. Was spürt sie davon, wo steht das Team und was würde es noch brauchen?

Welche Herausforderungen gibt es derzeit in der Seniorenarbeit?

Wir haben Personalengpässe, wie alle anderen auch und deshalb müssen Mitarbeiter:innen immer wieder einspringen, um Krankenstände zu kompensieren. Mir ist es wichtig, dass Mitarbeiter:innen ihre Stunden arbeiten können, die sie arbeiten wollen. Einige haben kurzfristig ihr Beschäftigungsausmaß erhöht, bis wir im Dezember wieder eine Mitarbeiterin begrüßen können.

Um die Pflege zu entlasten, haben wir auch zusätzliches Budget für eine Hilfskraft erhalten. Die Aufgaben der Hilfskraft zu erarbeiten, braucht das ganze Team und Fingerspitzengefühl.

 

Wo stehen die Kolleg:innen aktuell?

Schön ist, dass die Kolleg:innen sehr motiviert sind und sehr Bewohner:innen-orientiert arbeiten – darüber bin ich froh und dankbar zugleich. Allerdings müssen wir darauf achten, dass die Kolleg:innen auch für sich gut sorgen und ihre Bedürfnisse zum Ausdruck bringen.

 

Kann Spiritual Care hier hilfreich sein?

Ja sicherlich. Wenn wir Spiritual Care noch besser verankern – hier sehe ich Potential.

Wie in allen anderen Häusern für Senior:innen beschäftigt uns das Thema Sterben im Haus Elisabeth laufend. Heuer ist bereits beinahe die Hälfte der 40 Bewohner:innen verstorben. Hier wäre wichtig, dass wir uns mit der Frage beschäftigen: Wie können Mitarbeitende noch besser Abschied nehmen? Zum Beispiel wäre ein Ziel, dass wir direkt im Wohnbereich mit Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen alle gemeinsam Abschied feiern können. Ähnlich einer Totenwache in einem alten Bauernhof, wie wir es von früher kennen.

In den letzten zwei Jahren war dies aufgrund Corona jedoch nicht möglich und was die Zukunft bringt, ist ungewiss. Zudem stellt sich in der Realität schnell die Frage der Zeit und Ressourcen. Dennoch könnte das eine weitere Maßnahme sein, um Spiritual Care weiter zu verankern.

 

Wie soll diese Idee umgesetzt werden?

Wir haben eine Arbeitsgruppe Spiritual Care. Sie besteht aus acht Kolleg:innen, die sich regelmäßig treffen. Es wäre es schön, wenn dieses Team diese Abschiedsrituale beginnt anzuleiten. Es geht dabei um die Bewohner:innen- und Mitarbeiter:innen-Sorge.

 

Spiritual Care spiegelt "triple care" wider: Die Selbstsorge ist etwas, die Ihnen wichtig ist - kann hier in dieser Arbeitsgruppe im Haus noch etwas entstehen?

Natürlich können in dieser Gruppe weitere Ideen „geboren“ werden. Beispielsweise war ich letztes Jahr gleich im Juli – eineinhalb Monate nach meinem Dienstbeginn im Diakoniewerk – bei einem Arbeitstreffen der Gruppe Spiritual Care im Haus Elisabeth dabei. Die Mitglieder unter der Leitung von Doris Wierzbicki erzählten von den bisher erarbeiteten Maßnahmen und von den Fokustagen. Eine Mitarbeiterin meinte: „Das schönste waren die Fokustage.“ Ich habe gefragt: warum? Sie antwortete: „Ich hatte endlich Zeit, auch über Privates mit Kolleg:innen zu reden, wir haben uns beim Austauschen näher kennengelernt.“

 

Daraufhin habe ich heuer für meine Bereiche „Danke-Tage“ organisiert, an dem sich die Kolleg:innen unter Begleitung vormittags mit den eigenen Bedürfnissen beschäftigen konnten und nachmittags mit Kolleg:innen an Team-Aktivitäten teilnahmen. Was es noch weiter braucht, müssen wir gemeinsam überlegen.

 

Spiritual Care braucht auch viel Führung - richtig?

Ja, jedenfalls, ich als Führungskraft sehe es unter anderem als meine Aufgabe, auf meine Mitarbeiter:innen zu achten und so gut wie möglich auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Sei es jetzt, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Bindung durch Teamaktivitäten zu stärken oder das Bedürfnis nach Orientierung und Sicherheit bei der Einführung von neuen Prozessen.

 

Welche Kompetenzen bzw. welche Unterstützung würden Sie sich hier wünschen?

Neuerliche Formate zum Thema würde es wieder brauchen. Besonders wir Führungskräfte brauchen immer wieder neue Inputs, um den neuen Herausforderungen im Führungsalltag gerecht werden zu können. Ich glaube, dass wir auch das Thema „sich mit sich selbst beschäftigen zu dürfen“ bei Spiritual Care noch stärker bearbeiten müssen z.B. Kraftquellen suchen und immer wieder pflegen. Geht es den Kolleg:innen gut, geht es nämlich auch unseren Bewohner:innen gut.“